Zwölf Jahre Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man könnte meinen, dass es die Bürger so langsam satt haben. Die große Koalition regiert leise vor sich hin, eine wirklich lautstarke, unbequeme Opposition gibt es auch nicht - nichts strömt, alles plätschert. Merkel sagte zum Ende von Barack Obamas zweiter (und in den USA gezwungenermaßen letzter) Amtszeit, dass ihr der Abschied schwer fiele, "Wir sind aber Politiker und die Demokratie lebt vom Wechsel."
Wenige Tage danach gab sie bekannt, dass sie sich erneut als Spitzenkandidatin der Union zur Wahl stellen würde. Das wäre dann die vierte Amtszeit. So viel zum Wechsel.
Nun, nachdem ich eine Weile über diese Entscheidung den Kopf geschüttelt habe, halte ich es mittlerweile doch nicht mehr für so falsch. Ich würde zwar niemals die CDU wählen, diese Frau an der Spitze Deutschlands sehe ich allerdings doch noch weitere vier Jahre vor mir. Aber warum, verdammt? Was sagt das über mich aus? Was sagt das über die Gegenwart aus?
Fangen wir doch mal mit Letzterem an. Gucke ich mich in Deutschland um, in der Parteienlandschaft, dann kann ich mir aktuell einfach niemand anderes an der Spitze vorstellen. Wofür die Grünen inzwischen eigentlich stehen, ich habe keinen blassen Schimmer. Die FDP hat jetzt erst mal genug damit zu tun sich mithilfe ihres Posterboys Christian Lindner wieder Prozente zu ergattern...ach lassen wir das, die einzig realistische Chance besteht ja ohnehin nur bei der SPD und ihrem Heiland Martin Schulz (not really). Aber außer seinem vielfach versprochenen, Captain-America-mäßigen "Kampf um die hart arbeitende Mitte" - um was auch immer da gekämpft werden soll, aber hey, immerhin kann man den catchy Spruch super dazu nutzen, um sich bei Reden vor einem feshen Baugerüst zu stellen, das mit Schutzhelmen und -anzügen verziert ist, ge ni al - fällt mir da jetzt auch nichts Stichhaltigeres ein. Und was soll ich schon von einer Partei halten, die weder einen Jackpot wie einen Hype um deren wichtigste Person richtig nutzen, noch ihren fucking Slogan korrekt auf ihr eigenes Wahlprogramm schreiben kann!
Der eigentliche Grund aber, weshalb ich mich weitere Jahre mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin anfreunden kann, liegt außerhalb Deutschlands. Trump, Erdogan, Putin, Jong-un und der brodelnde Rechtspopulismus in Europa - alles scheint so unberechenbar, so fragil und gefährlich. Was tun sie als nächstes? Welche Meinung haben sie morgen? Was, wenn ihnen ein Furz quer liegt? Was, wenn Donald Trump mal nur eine, anstatt zwei Kugeln Eis bekommt? Irgendwie scheint alles möglich zu sein. Und wenn ich dann Angela Merkel sehe, bei Staatsbesuchen, bei politischen Gipfeltreffen, dann beruhigt mich diese kühle, vernünftige Art ungemein. "Die macht das jetzt schon lang genug, die kennt sich aus. Die lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen."
Angela Merkel, der solide Stöpsel in einem Meer voller Scheiße, das zuverlässige Valium für unsere Seelen. Wie langweilig.
Ist eigentlich das Wattenmeer, sieht aber aus wie ein Meer voller Scheiße
Bin ich also scheiße langweilig? Digitalisierung, irre Regierungen, alles nur noch schnell schnell schnell, zwanzig verfickte Eilmeldungen am Tag? Macht mich diese Welt wahnsinnig, sehne ich mich deshalb nach Stabilität? Kein Rebellieren mehr? Habe ich sonst keine Probleme? Ich bin nicht arm, ich bin nicht krank und Kriege kenne ich nur aus dem Fernsehen. Trotzdem Zweifel, Sorgen, der Wunsch nach... ja, nach was eigentlich? Zerstreuung? Ablenkung? Stabilität? Langeweile? Richtige Probleme, damit man endlich wieder rebellieren kann?
Viel zu viele Fragezeichen. Klassische Millennial-Fragen? Falle ich damit in genau dieses Raster der langweiligen Generation-Y, von der irgendwelche Experten vor Bücherregalen in den Nachrichten immer reden? Oh Mann, nicht noch ein weiteres Fragezeichen! [Ausrufezeichen]
Die neue Staffel Twin Peaks kommt gerade recht. Sie ist düster, psychedelisch und verwirrt mich total. Und ich lasse mich doch lieber von der Fiktion verwirren, als von der Realität.
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